CHRISTOPH ALBERTI | KUNST
MALEREI – MATERIALKUNST – OBJEKTKUNST
Wikingerschiff | Christoph Alberti | 2013
Als der Typ studierte, wunderte er sich. Er wunderte sich über die Menschen an sich. Er wunderte sich über Umgang und Sitte. Er wunderte sich darüber wie mit ihm versucht wurde umzugehen. Er wunderte sich über Mitstudenten, Dozenten, Vermieter, Passanten, Nachbarn. Er schwieg fast immer, denn er war noch nicht fertig mit dem Wundern.
Die Menschen um den Typ wunderten sich. Sie wunderten sich über sein Aussehen, seine Schweigsamkeit. Sie wunderten sich über die Art, wie er ihre Fragen beantwortete, Aufgabenstellungen löste. Sie wunderten sich auch über das hässliche beige-grüne Moped auf dem er herumfuhr. Sie wunderten sich über den lächerlichen graugrünen Helm den er dabei trug.
Dabei fummelten Sie irgendwelche Hälmchen aus ihren Vorgärten, beantworteten Fragen richtig und lösten Aufgaben wie es vorgesehen war.
Dann entschieden Sie, den Typen loszuwerden und ein Büro musste aufgesucht werden, in dem ein Pedell oder so etwas saß und finster blickte. Eine Aufgabe wurde gestellt. Der Typ war nun fertig damit, sich zu wundern. Nun arbeitete er sechs Wochen an seiner Kündigung. Ein Schiff für seine Abreise entstand und fuhr bereits. Wenn ich abreise, dann standesgemäss, dachte der Typ. Das Schiff tauchte in allerlei Veröffentlichungen auf. Die Kündigung wurde nicht zugestellt. Da war es wieder Zeit, sich zu wundern.
Der Mann im Häuschen | Christoph Alberti | 2014
Ich kannte einen Mann der wohnte in einem kleinen Häuschen.
Das Häuschen des Mannes stand auf einer Wiese direkt an einem Meer.
Immer saß der Mann in dem kleinen Häuschen und blickte auf das Meer.
Er tat nie etwas anderes, so hatte es den Anschein.
Das Häuschen stand auf der Wiese direkt am Meer, der Mann darin, saß und blickte auf das Meer.
Nie tat er etwas anderes als auf das Meer vor seinem Häuschen zu blicken.
Er saß und blickte auf das Meer und dachte nach.
Er saß, blickte auf das Meer vor seinem Häuschen und dachte nach.
Er saß, dachte und blickte auf das Meer.
Sonst tat er nichts so hatte es den Anschein.
Diesen Eindruck machte der Mann, der dort in seinem Häuschen saß, auf das Meer blickte und nachdachte.
Eines Tages zog der Mann aus dem Häuschen aus.
Er blickte nicht mehr auf das Meer nachdem er aus dem kleinen Häuschen auszog.
Er war ein Mann, der lange auf das Meer hatte blicken können.
Er war ein Mann denn er hatte lange auf das Meer blicken können.
Er hatte in dem kleinen Häuschen gesessen, auf das Meer geblickt und nachgedacht.
Kaffee oder Tee | Christoph Alberti | 2014
Moderator: Sehr geehrte Damen und Herren hier im Studio, liebe Damen Zuhause an den Fernsehgeräten, herzlich Willkommen zu unserer heutigen Ausgabe des RTL-Frühstücksfernsehens. Wir haben wieder tolle Gäste zu uns in das schöne RTL-Frühstücksfernsehenstudio eingeladen.
Der Einzige der unserer Einladung gefolgt ist, sitzt hier neben mir auf unserem RTL-Frühstücksfernsehsofa und ist, der uns sicherlich Allen bekannte und aus dem diplomatischen Dienst zu uns kommende Herr Joachim von Winterwinth.
Ich sehe gerade das da wohl auf unserem RTL-Frühstückstelepromter ein Schreibfehler vorliegt, den Sie liebe Zuschauer zwar nicht sehen können, ich Ihnen aber auch nicht vorenthalten möchte und zwar steht hier Winterwind mit th am Ende.
Gast: Nein, nein das ist korrekt! Ursprünglich wurde der Name zwar mit einem D am Ende geschrieben, daß habe ich mit meiner Volljährigkeit und als einziges Kind meiner Eltern aber ändern lassen. Nicht etwa weil wir eine extrem blutige
SS-Vergangenheit hätten, sondern weil ich in meiner Gymnasialzeit häufig deswegen gehänselt wurde.
Moderator: Sie wurden sicher zu Recht wegen ihrer Nazivergangenheit gehänselt. Aber jetzt muss ich doch mal meine Redaktion fragen, was das nun wieder soll, ich wusste ja nicht das ich hier zum Frühstück mit knallharten Verbrechern über Belanglosigkeiten plaudern soll.
Gast: guckt etwas verstört
Moderator: Die Redaktion sagt mir ich soll einfach mal weitermachen, das wird ja vielleicht ganz geil.
Gast: Ich hatte eigentlich gar nicht die Nazivergangenheit meiner Familie ansprechen wollen. Worauf ich eigentlich hinaus wollte war meine Opferrolle in der Gymnasialzeit.
Moderator: Ach so! Ich brauch jetzt erstmal ein Brötchen. Bitte bedienen Sie sich doch. Wir haben Marmelade, Käse, und von unserem Hauptsponsor Nutella, Nutella.
Gast: schneidet sich ein Brötchen auf
Moderator: kauend
Herr von Winterwinth warum wurden Sie denn im Gymnasium nun gehänselt? Ihnen muss man ja alles aus der Nase ziehen!
Gast: Ja richtig, wir waren ja Gott sei dank bei meinem Namen stehen geblieben. Meine damaligen Mitschüler riefen mich immer statt Winterwind, "kalter Pups".
Moderator: Interessant! Sie sind ja heute extra aus Bad Schwartau angereist um uns von Ihrer killer Vergangenheit bei den Nazis zu berichten. Unser verehrtes Publikum hier im Studio hatte freilich nicht eine so weite Anfahrt. Vielleicht kann die Kamera ja mal ausnahmsweise durchs Publikum schwenken. Wie man sieht, sind wir heute morgen um Fünf mit einem Reisebus durch Köln Kalk gefahren und haben einfach an den städtischen Bushaltehäuschen angehalten und wer aus versehen eingestiegen ist, sitzt jetzt hier und labt sich an, noch aus der Adventszeit stammenden, Schokodominosteinen.
Gast: Ich habe ein bisschen den Eindruck die Leute verstehen uns gar nicht.
Moderator: Ich auch. Wir haben aber herausgefunden, daß wenn unsere Praktikantin mit einem neuen Teller, alter Dominosteine auftaucht klatschen diese Leute frenetisch.
Gast: Ach!
Moderator: Vielleicht können wir das unserem Gast mal zeigen. Katrin kannst du bitte mal kommen...
Praktikantin taucht mit einem Teller voll Dominosteine auf.
Publikum beginnt johlend zu klatschen.
Moderator: ...und jetzt geh doch bitte kurz hinter die Bühne und komm ohne den Teller noch einmal heraus.
Praktikantin ab
Praktikantin betritt die Bühne wieder, jedoch ohne den Teller.
Publikum teilnahmslos.
Gast: Toll! Einige scheinen sogar eingeschlafen zu sein!
Moderator: Noch etwas Kaffee oder Tee?
Gast: Ja gern!
Moderator gießt nacheinander Kaffee und Tee in eine Tasse.
Gast: Danke!
Moderator: So Herr von Winterwind, sie sind ja sicher nicht den ganzen weiten Weg aus Bad Schwartau in ihrem SUV angereist, um uns hier unsere Brötchen wegzufuttern. Was ist denn nun mit Ihrer diplomatischen Karriere bei der SS?
Gast: empört
Nun hören Sie mal, ich war nie bei der SS! Ich bin erst kurz nach dem Krieg geboren.
Moderator: Na, das kann ja Jeder sagen!
Gast: Lieber würde ich von meinem Hobby erzählen!
Moderator: Oje!
Gast: Ich hab Ihnen da was mitgebracht.
Moderator: erstaund
Mir?
Gast: Holt eine Plastiktüte hervor, wickelt ein pinkes, unförmiges Holzgebilde aus und übergibt es dem Moderator
Moderator: ratlos
Was soll ich denn damit!?
Gast: In meiner Freizeit bastel ich, im Hobbykeller in meiner Villa in Blankenese, Holzspielzeug aus alten Möbeln für die Armen- und Waisenkinder aus meinem Stadtteil. Ich fahre dann mit meinem SUV zu den sehr nahegelegenen Schulen und spreche die Kinder aus dem Autofenster heraus an. Wenn sie dann zutraulich sind, gebe ich ihnen ein Spielzeug.
Moderator: Gute Idee! Ich war mal mit meinem Neffen in so ei'm Tierpark wo man mit dem Auto durchfahren kann. Da waren dann so Affen die kamen auch an's Autofenster und wenn man Glück hatte fraßen die einem die Nüsse direkt aus der Hand.
Gast: Ja, daß ist so ähnlich.
Moderator: Ich denke die Schulkinder kacken aber nicht auf ihr Autodach oder?
Gast: Nein, das ist bisher noch nicht vorgekommen.
Moderator: nachdenklich
Ich glaube das war der Vogelpark Walsrode.
Gast: Ich war schon mal in einem Zirkus aber da gab es keine Tiere mehr, ausser Ziegen.
Moderator: Und warum ist das Holzding ausgerechnet pink angemalt.
Gast: Ich dachte Ihre Kollegin würde heute hier mit mir sitzen.
Moderator: Aha. Ach so, Katrin du kannst wieder von der Bühne runtergehen. Du stehst ja auch die ganze Zeit im Bild vor Herrn Wintersturm.
Gast: ...winth!
Moderator: Was machen sie denn noch so?
Gast: Darf ich Jemanden grüssen?
Moderator: leicht genervt
Ach nee!
Gast: Ich hab mich über Ihren Anruf, ob ich nicht mal in die Sendung kommen wolle nämlich sehr gefreut!
Moderator: Echt!? Katrin, hol doch nochmal den Teller, sogar die erste Reihe im Publikum ist schon am wegdämmern.
Gast: Wie sind sie eigentlich auf mich gekommen, wegen meiner Dienste im Ausland oder meinem sozialen Engagement?
Moderator: Die Auswahl ist völlig wahllos!
Gast: vergnügt
Na, da hab ich ja doppelt Glück! Ich grüsse meine Frau, die jetzt sicher daheim vor dem Fernsehapparat sitzt und mich hier sieht!
Moderator: Ach, das ist ja jetzt doch ganz süß von Ihnen! Wie heißt denn Ihre Frau?
Gast: Annedore.
Moderator: oh!
Gast: Ich möchte meiner Annedore noch etwas sagen.
Moderator: Na dann aber flott unsere Sendezeit ist fast um!
Gast: Liebe Annedore ich möchte das du nicht mehr Nachts heimlich in meiner Nase bohrst!
Praktikantin erscheint mit Teller
Publikum: frenetischer Applaus!
Die Serviertochter | Christoph Alberti | 2015
Drei Männer im besten Alter saßen zusammen in einer beliebigen, mittelgrossen, deutschen Stadt, in einer relativ hippen Kneipe mit angeschlossener Restauration.
Man kannte sich aus Kindertagen und ist bis heute in einer, mit keiner anderen Art der Freundschaft vergleichbaren Form, wie der aus Kindertagen, miteinander verbunden. Selten sind diese Treffen und häufiger sind sie auch gar nicht gewünscht, da nicht nötig. Was ebenfalls die Güte der Freundschaft zum Ausdruck bringt.
Die Männer sprachen über Dies und Das. Da war die Rede, in leichtem Ton, von Gebrechen, die zwar noch nicht ernst genommen, trotzdem mit dem Wissen des unausweichlichen versehen, vorgetragen wurden. Es wurde wohl auch über Autos gesprochen, über Frauen die es mal gab, auch ein wenig über die Eigene. Die Arbeit wurde an diesem Abend nur gestreift. Als man dazu überging zu resümieren wie man früher die Sau durchs Dorf getrieben hat und wie unspektakulär einem das Tun der jungen Leute von heute vorkommt, fiel der Blick speziell auf eine Kneipe in Sichtweite, die an einem solchen Abend bereits fast leer zu sein schien, was zu damaliger Zeit undenkbar gewesen wäre. Sagte der eine Mann, daß die Kneipe, obwohl damals zwar häufig Mittelpunkt der Sautreibereien, eigentlich immer schon kacke war. Von den beiden anderen Herren bestätigendes Nicken. Es meldete sich noch eine vierte Person zu Wort, die im Rücken zweier der Herren, einen Tisch neu eindeckte und nachdem sich die, Beiden auf ihren lehnenlosen Sitzmöbeln umgewandt hatten, von allen Dreien als Serviertochter eingeordnet wurde. Die Kellnerin sprach, "Hier sei das Personal ja auch viel netter". Die Herren brummten nach einer Bedenkpause etwas Zustimmendes. Sie fuhr fort zu berichten wie sie selbst nach nur zwei Tagen, in dem als kacke bezeichneten Wirtshaus gearbeitet hätte und dann gekündigt worden wäre. Nach einiger Zeit hätte sie von irgend Jemand ihres Bekanntenkreises zugehörigem den Kündigungsgrund erfahren: Sie hätte zu kurzes Haar und wäre oben herum nicht gut genug ausgestattet gewesen. Dabei fuhr sie sich mit der Hand durch ihr zu einem Pferdeschwanz gebundenes, etwa schulterlanges, blondes Haar. Die Herren nahmen, man hätte fast sagen können, offiziell die vergleichsweise junge Frau in Augenschein. Die Oberweite war, obwohl durch die eng anliegende Kleidung gut abzuschätzen, tatsächlich nicht der Rede wert. Ob einer der drei Herren auch die Länge des Haares ins Maß genommen hat, hätte nicht mit Sicherheit berichtet werden können.
Verwirrt über die offenherzige Aussage der Kellnerin, dem angesprochen werden von einer jungen Frau und dem Ring am eigenen Finger, entstand eine Pause, in der die Herren in Gedanken den Kündigungsgrund zwar billigten, durch die Offenherzigkeit und Jugend der Kellnerin nach einem weiteren Moment aber natürlich als unmöglich und beleidigend kommentierten. Dann versiegte der weitere Austausch mit der nicht unansehenlichen jungen Frau.
Unzufrieden wanden sich alle wieder ihren Getränken zu. "Früher wäre so ein Gespräch anders verlaufen." sagte der Eine. Kurz darauf war die Stimmung, nachdem einige Erinnerungen zu diesem Thema ausgetauscht worden waren aber wieder deutlich besser.
Die Kellnerin verabschiedete sich später mit fröhlichem Winken in den Feierabend von den Dreien. Und mindestens einem von Ihnen kam die Idee, ob nicht daß von drei Männern gleichzeitig in Augenschein genommen werden ihrer geringen Oberweite, dazu geführt haben könnte, den Abend für die Serviertochter zu einem Gelungenen werden zu lassen.
Des Jubilaren Laudatio | Christoph Alberti | 2015
die schöne, festlich beleuchtete Münsterland-Halle. Wir sind heute Abend hier, um die, seit Monaten medial extrem aufgeputschte, geheime Briefwahl des "Idealen Zeitgenossen" medienwirksam bekannt zu geben, das Ergebnis dieser von mir weiter oben als "medial bis zum abwinken", wie meine Tochter zu sagen pflegt, angeheizten, postalische Wahl, im Verborgenen entschieden, bekannt zu geben und Sie alle fiebern dem Ergebnis genau wie ich entgegen. Auch ich weiß allerdings noch nicht, wer dieser "Ideale Zeitgenosse" sein könnte, aber in dem mir hier auf meinem gläsernen Rednerpult vorliegenden goldenen, mit so Glitzersteinchen verziert vorliegenden Briefumschlag – vielleicht kann das ja eine Kamera einfangen – steht ein Name. Ein Name, den wir alle sehnsüchtig erwarten, ein Name der nur der eines Mannes sein kann, denn Frauen sind von der Wahl des "Idealen Zeitgenossen" kategorisch ausgeschlossen, sonst hätte es heißen müssen "Der/die Wahl/In des/der idealen Zeitgenossen/In" und weil diese Schreibweise so schrecklich nervt, wurde von einem Komitee, unter Ausschluss der Öffentlichkeit natürlich, entschieden, Frauen einfach wegzulassen und wer könnte es diesem Komitee verdenken, ein Name also wie ein Büchsenknall, ein Name der unter die Haut gehen wird bekanntzugeben, den wir alle, meine sehr verehrten Gäste hier in der Siegerlandhalle und draußen überall im Land, nicht mehr vergessen werden.
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